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  • AutorenbildSebastian Almer

Die Delphi-Methode, wenig Orakel hohe Genauigkeit

Nach dem Orakel von Delphi benannt möchte ich mich in diesem Artikel die gleichnamige Methode vorstellen und zeigen warum sie wenig mit orakeln und raten aber viel mit Agilität, Interaktion und Sense&React zu tun hat.


Viele von euch kennen vielleicht den in agilen Projekten üblichen Planning Poker. Diese Methode basiert auf der in den 50ern entwickelten Delphi Methode.


Die Delphi-Methode dient dazu zu einer oder mehreren Fragestellungen durch die Befragung einer überschaubaren Anzahl an Experten die besten Ergebnisse zu bekommen. Die Bandbreite reicht von Schätzungen bis hin zu empirischen Aussagen, die bewertet werden müssen. Ziel ist es ein Ergebnis zu finden, dass der (hypothetischen) Realität am nächsten kommt. Ein Beispiel:


Es steht die Frage im Raum, welche Skills und Ressourcen benötigt werden ein Boot zu bauen: Fragt man dazu unterschiedliche Experten, wird man als Extremwerte vielleicht folgende Antworten bekommen:

  • „Wir brauchen ein Blatt Papier, einen Studenten und eine halbe Stunde Zeit“

  • „Wir brauchen ca. 100 Ingenieure, 1000 Tonnnen Stahl und 10 Jahre Zeit“


Natürlich hat die obige Fragestellung einen viel zu geringen Detailgrad um eine vernünftige Antwort zu bekommen, aber genau das ist eben Ziel der Methode. Annahmen zu treffen, validieren, hinterfragen, etc. und diese Annahmen durch Wissen und Erfahrung der Experten so weit als nötig, aber so abstrakt als möglich zu halten. Selbst wenn man die Fragestellung auf eine 100-seitige detaillierte Beschreibung bringt bleiben wahrscheinlich immer noch Fragen offen.


Sollten bei einer Fragestellung alle Experten zu ähnlichen Aussagen kommen, ist die Chance hoch, dass die Annahmen korrekt und bekannt sind.

Kommt es wie im obigen Beispiel zu starken Abweichungen werden die beiden Befragten mit den stärksten Gegensetzen dazu befragt warum sie diese Antwort gegeben haben und geben Ihnen Raum da zu begründen. Die Begründungen werden unkommentiert allen Teilnehmern zu Verfügung gestellt und eine zweite Iteration zu der Frage gestartet. Das so lange bis es sich „eingerüttelt“ hat. Und das Ergebnis liegt dann eben häufig nicht in der Mitte, sondern näher an einem Extremwert.





Nochmal der Ablauf in Stichpunkten:

  1. Es wird eine These / Frage / Bewertungsaufgabe formuliert.

  2. Alle Teilnehmer geben geheim (aber nicht anonym) ihr Voting ab.

  3. Die Ergebnisse werden von einem zentralen Moderator eingesammelt und es werden die Grenzwerte identifiziert, also die Ausreißer nach oben und nach unten. Wenn es keine gibt und Konsens herrscht ist ja alles klar.

  4. Die beiden Teilnehmer, die die Extremwerte abgegeben haben, werden gebeten kurz zu formulieren, was ihre Sicht auf die Dinge ist. Kommentierungen und Diskussionen sind zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig, damit keinen Meinungsführerschafen Raum gegeben wird.

  5. Alle Fragen aus Punkt 4 werden in einem zweiten Durchlauf erneut von allen Teilnehmern geheim bewertet.

Vorteile dieser Methode ist, dass in kurzer Zeit ein sehr exaktes Bild auf Basis des Expertenwissens entsteht.


Am Beispiel des Planning-Pokers das häufig in Scrum verwendet wird ist das dann eine Aufwandsschätzung nahe an der Realität. Problem beim Planning-Poker ist, dass sich aufgrund zu geringer Behandlung der Extremwerte und wenig Aufmerksamkeit auf die Abweichungen häufig ein Konsens-Verhalten einstellt. Bei Delphi ist ein Konsens in Form eine Mittelung o.ä. explizit nicht gewünscht. Dies hilft auch den Trend zur Mitte zu vermeiden.


Fazit:

Bei Delphi geht es darum über mehrere Iterationen bei Expertenbefragungen zum besten gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Und das beste Ergebnis ist meistens eben nicht der Konsens, bzw. der Mittelwert. Denn meistens liegt bei der Findung einer gemeinsamen Antwort auf eine Frage die Wahrheit nicht in der Mitte, sondern eher Abseits davon.

Meine Erfahrung mit der Methode zeigt, dass es sich speziell zum Schätzen von komplexen Projekte hervorragend eignet. Für komplizierte Projekt gibt es durchaus noch weitere Methoden. Ich habe es schon verwendet für Projekte > 1.000 PT aber auch für Meinungsbildung beispielsweise in Vision / Mission Workshops.


Und wenn ihr wissen wollt, was der Unterschied zwischen komplex und kompliziert ist, dann wartet einfach auf einer meiner nächsten Artikel in dem ich das erklären werde.

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